Ort: Davos, oberhalb der Schatzalp. Eine Parkbank mit Blick auf das Städtchen. Zwei Personen treffen sich dort. Sie, graubraune Strickmütze, selbst gestrickter Schal, Patagonia-Parka. Er mit Canada-Goose-Wintermantel samt Kojotenfell. 

Er: «Danke, dass du gekommen bist. Dachte schon, dass es nicht klappt, weil du mich verachtest.» Sie: «Weil du für den Typen arbeitest?» «Ja.» «Also Mitleid kannst Du von mir nicht erwarten. Die CO2-Bilanz von deinem Chef ist ja auch grauenvoll. Gleich mit vier Flugzeugen anzureisen.» «Naja, das ist das Protokoll. Das geht nicht anders. Aber bist du wirklich die Social-Media-Verantwortliche von Greta?» «Ja. Also sie schreibt das meiste selber, ich versuche nur, das Schlimmste zu verhindern oder zu löschen.» «Echt, das kommt mir bekannt vor. Das mache ich für Potus auch. Totaler Frustjob. Keiner nimmt einen ernst.» «Und Du kannst so einfach mit mir darüber reden?» «Ich bin ja kein Geheimnisträger, sondern Teil der Putztruppe. Du hast es leichter. Der Welpenschutz, den Greta hat, entschärft alles was, sie sagt. Aber ich mit meinem Narzissten mit Pinocchio-Nase.» «Dann wechsle doch den Job.» «Chancenlos. Mit diesem Track-Record nimmt mich keiner.» «Doch Kim Jong-Un.» «Scheitert an meinem Koreanisch. Aber im Ernst. Da hast du es besser.» «Nicht unbedingt. Was glaubst du, wie mühsam es ist, mit so einer spassbefreiten Truppe tagelang in Zügen, Bussen und zu Fuss unterwegs zu sein. Und ständig die Leute über die Medien zu erziehen und die Moralkeule zu schwingen. Ich warne die ganze Zeit, dass wir über das Ziel hinausschiessen mit diesen missionarischen Reden, Drohungen, Ultimaten mit ’how dare you’ oder ’I want you to feel panic’. Aber auf mich hört auch keiner. Irgendeiner hat mal gesagt: Wenn die Kritik an Zuständen mehr nervt als die Zustände selber, dann muss man aufpassen. Und davon sind wir nicht mehr weit entfernt.» «Ich wünschte mir, wir könnten die beiden samt den Journalisten Social-Media-mässig unpluggen. Was glaubst du wie entspannt und kontrolliert die Kommunikationsarbeit wieder wäre. Es gäbe vielleicht noch ein paar chaotische Pressekonferenzen, also zumindest auf Potus‘ Seiten, aber dann liefe alles durch kontrollierte Kanäle.» «Träum weiter. Ich muss zurück und noch etwas Empörungsbewirtschaftung betreiben.» «Darf ich dich auf einen Drink einladen?» «Nur wenn du diese Winterjacke gegen was Selbstgestricktes austauscht.»

Erschienen Handelszeitung N. 5, 30. Januar 2020