Eine für alle – alle für eine

Dieses Jahr feiert der Verband Frauenunternehmen sein 25jähriges Bestehen. Das ist eine tolle Leistung, denn viele Unternehmerinnen finden bei uns ein Zuhause. In diesen Jahrzehnten haben tausende von Frauen ihr Unternehmen gegründet, sind gewachsen, haben expandiert, haben Krisen überstanden, sich neu erfunden. Manche mussten aufgeben. Manche wurden berühmt, manche wohlhabend. Aber ganz viele wurden sehr glücklich und sind stolz auf ihre unternehmerische Leistung. Wir vom VFU begleiten unsere Mitglieder vom Gründen, über alle Entwicklungen und Entscheidungen hinweg. Wir bieten regionale Netzwerke für den Austausch, Weiterbildung und ganz wichtig massgeschneiderte Pensionskassen-Lösungen.
Daher blicke ich als Präsidentin sehr beruhigt in die Zukunft. Wie cool und unterschiedlich unsere Unternehmerinnen unterwegs sind, liest man in der aktuellen Bilanz. Auf sieben Seiten werden fünf Karrieren von der Bilanz-Redaktorin Anne Barbara Luft vorgestellt. Was für spannende Persönlichkeiten es sind und was sie machen, kann man hier lesen:


Lahme Socken – oder liebe Frauen riskiert was

Foto Ruxi

Bringt uns Leidenschaft um Kopf und Kragen oder ist sie das Flugbenzin für unsere Glücksgefühle? Und was hat das mit lahmen Socken und auftrittsscheuen Frauen zu tun? Eine provokante Annäherung an ein Dauerproblem.

«Entweder ist man eine lahme Socke oder ein leidenschaftlicher Mensch», ist einer meiner Lieblingssprüche, und ich rechne mich dabei der zweiten Gruppe zu. Gelesen habe ich ihn von der Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter. Sie, ebenfalls kein mattes Söckchen, hat ihn sicher auch von jemand anderem. Lahme Socke oder leidenschaftlicher Mensch – wohlgemerkt: es heisst nicht: «erfolgreicher», sondern «leidenschaftlicher» Mensch. Ein schönes Wort. Obwohl es das Wort Leiden beinhaltet, ist viel Hingabe, Überschwang und Kraft zu spüren. Das Positive, die Glückshormone sind quasi in das Wort Leidenschaft integriert. Das ist ein Zustand, den ich liebe. Auch wenn ich weiss, dass die Gefahr besteht, die Bodenhaftung zu verlieren. Soll man deshalb besser den Weg der lahmen Socke wählen? Nichts riskieren? Um nicht zu leiden? Die Folge ist, auch keine Glückshormone ausgeschüttet zu bekommen. Man lebt emotionslahm vor sich hin.

Dieses Nichts-riskieren-Wollen erlebe ich oft bei Frauen. Wir wissen aus der Verhaltensforschung, dass Frauen überwiegend risikoaverser sind als Männer. Es ist – salopp zusammengefasst – eine Mischung aus Hormonen, Erziehung und Sozialisierung, die das bewirkt. Dem ist man als Frau nicht hilflos ausgeliefert. Genauso wenig wie Hormone, Erziehung und Sozialisierung Männer dazu zwingt, sich in wahnwitzige Aktivitäten stürzen zu müssen. Übrigens werden die Herren für diese Verhaltensweisen bei uns inzwischen ständig ermahnt, sie sollten ihre toxische Männlichkeit zügeln. Andererseits traut sich niemand zu sagen: Liebe Frauen, verlasst mal eure Lahme-Socken-Attitüde und riskiert was!

Das klingt jetzt sehr pauschal und vielleicht auch etwas rabiat, weil es viele mutige Frauen gibt. Wenn wir Frauen ehrlich sind, wissen wir jedoch alle, wovon ich rede. Das ABER ist bei uns sofort da, viel eher als: Das probiere ich jetzt aus! Ich riskiere es! Die Zugehörigkeit entweder zur Lahme-Socken-Gruppe oder zu den Leidenschaftlichen ist digital. Man ist nicht ein bisschen leidenschaftlich. Das geht nicht. Genauso ist man nicht ein bisschen lahm.

Und damit komme ich auf den Punkt: Ihr lieben klugen, hervorragend ausgebildeten, erfahrenen und eloquenten Frauen – und damit meine ich alle, die das jetzt lesen: Wenn ihr das nächste Mal eine Anfrage für einen öffentlichen Auftritt vor Publikum, eine Anfrage von einem Medienvertreter oder einer Medienvertreterin für ein schriftliches Statement oder einen Medienauftritt bekommt, dann sagt sofort JA! Stellt eure Leidenschaft vor eure Zurückhaltung. Euch bleibt anschliessend immer noch Zeit zu überlegen, wie ihr diese Herausforderung anpackt. Vertraut auf euren Wert und eure Kompetenz. Man fragt euch genau deswegen an, weil man eure Expertise braucht. Weil man überzeugt ist, dass ihr eine intelligente Meinung vertretet. Ihr werdet angefragt, weil ihr spannende Persönlichkeiten seid. Da gibt es kein Aber! Legt das Lahme-Socken-Getue ab! Der Prozess, wie ihr den Auftritt, das Interview, den Vortrag dann inhaltlich gestaltet, wird ein kleiner Leidensweg sein, weil es Arbeit an sich selbst ist. Aber es lohnt sich. Die Glückshormone, die sich anschliessend einstellen, die Komplimente, die dann kommen, sind göttlich. Sie sind jedes Risiko wert. Die Leidenschaft fliesst und stärkt das Selbstvertrauen. Beim zweiten und dritten Mal wird es leichter und die Glücksgefühle stellen sich nach wie vor ein. Und das Risiko des Scheiterns? Gibt es nicht. Man ist vielleicht noch nicht so gut, wie man sich das selber vorgestellt hat. Aber daran kann man leidenschaftslos arbeiten.


Ein Podcast als Geburtstagsgeschenk

Wer mal wissen möchte, wie schön und leicht es ist, sich über Literatur zu unterhalten, dem sei dieser kleine Podcast empfohlen. Der Podcast geht über einen zufälligen Satz, der mir an meinem Geburtstag geschenkt wurde. Aus welchem Buch er stammt, wird erst zum Schluss verraten. Der 1-Satz-Literaturclub findet von Donnerstag bis Sonntag auf Clubhouse statt. Am Mittwoch auf LinkedIn. Viel Freude. Hier ist der Link zum Podcast

Empathie-Künstler gesucht

Empathie-Künstler gesucht

«Er startete als Genie und endete als Talent», ist eine Floskel, die man gerne fallen lässt, um einem Unliebsamen den Todesstoss zu verpassen. Der Fall ist tief und der Hohn ist süss. Dabei wären die meisten Unternehmen schon froh, wenn sie die Talente hätten, die sie händeringend suchen. Lieber ein gefallenes Genie, als gar kein Talent. So der sarkastische Umkehrschluss. Doch warum gibt es so viele Unternehmen, die Talente rausekeln oder ziehen lassen? Weil sie meinen, sie können es sich leisten, ist die simple Antwort. Weil sie meinen, sie bekommen ratzfatz, wieder ein neues, junges Talent oder sogar Genie.

Das war mal so und ist noch heute die überoptimistische Annahme der HR-Chefs, aber die Zeiten sind vorbei. Heerscharen von Babyboomern gehen, haben genug Geld verdient oder sind zu früh ausgemustert worden und sind jetzt zu teuer für eine Nachqualifikation. Und der Nachwuchs ist knapp. Der COVID-Lockdown hat die Situation etwas vernebelt, weil wir im Krisenmodus waren. Aber die Wirtschaft wird sich schnell erholen. Am Flughafen ballen sich die Reiselustigen, die Kauffreude ist wieder da, die Restaurants sind voll. Und die Wirtschaftsprognosen zeigen nach oben, auch wenn die Berufspessimisten meinen, es wird noch ganz, ganz schlimm. Aber das ist einfach ihr Berufsethos, der sich in diesen Szenarien widerspiegelt. Das Drama ist in Wahrheit der Arbeitskräftemangel, der unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand bedroht. Ein Blick nach Deutschland zeigt, was für ein gravierender Fachkräftemangel sich ausbreitet.

Also sind wir mal besser gnädig mit den gefallenen Genies, den höchstens in Teilzeit Arbeitswilligen, den Schwierigen, den bescheidenen Fleissigen, den Ambitionslosen und jenen mit der freizeitorierentierten Schonhaltung. Ob Frauen oder Männer. Wir werden sie alle brauchen. Denn jetzt beginnt ein neues, spannendes Experiment in unserem Wirtschaftsleben, das so noch nie gab: Wenn viele viel konsumieren wollen, aber zu wenige bereit sind, diese Bedürfnisse zu erfüllen und die Digitalisierung sowie die Automation diese Lücken nicht füllen werden. Die künftigen Superhelden der Chefetage werden die Motivations- und Empathiekünstler sein, früher auch mal Menschenfischer genannt, die es schaffen, aus Ambitionslosen Talente zu machen und diese zu halten.

Riccarda Mecklenburg, Präsidentin Verband Frauenunternehmen, Founder What the Hack


Ausnahmsweise mal in eigener Sache

Wer schon immer mal wissen wollte, wie ich mein erstes Geld verdient und sofort wieder ausgegeben habe, erfährt es im Bilanz-Interview. Die Fragen stellte Bilanz-Redaktorin Anne-Barbara Luft und das schöne Foto hat die Fotografin Ruxi Balea gemacht.


HR im Koma

HR im Koma

Die junge Frau mit der ich zusammensass, erzählte mir, dass ihre Firma ihren Antrag auf Unterstützung ihrer Weiterbildung abgelehnt hatte. Sie liess sich in ihrer Freizeit gerade umfangreich in Coaching und Leadership weiterbilden, um für eine Führungsfunktion gut gerüstet zu sein. Die HR-Abteilung lehnte ihren Antrag ab, weil ja dann jeder kommen könnte, um für eine Coaching-Ausbildung anzufragen. Die junge Frau ist im besten Alter und hoch motiviert für eine Führungsposition, aber die HR-Abteilung scheint nicht ganz im Heute angekommen zu sein. Selbst das World Economic Forum unterstreicht, dass Führung heute mehr mit Kooperation, mehr Coach als Boss und mit emotionaler Intelligenz zu tun hat, als das «par ordre du mufti» der Vergangenheit. Doch das überfordert die firmeneigenen Personaler anscheinend. Die HR-Verantwortlichen kommen nicht einmal auf die Idee, ihr eine Alternative für die Karriereentwicklung vorzuschlagen. Es kam gar nichts, ausser dem Njet. Die vielen Schlagzeilen und Zitate in den Medien, dass man dringend weibliche, ambitionierte Talente in der Wirtschaft sucht, denken sich die Journalisten offenbar nur aus.
 
In Tat und Wahrheit passiert in vielen HR-Abteilungen so gut wie gar nichts, ausser dass sie sich jetzt beschweren, weil sie seit neustem  Tiktok-Videos von Bewerbern erhalten statt Lebensläufe. Oder sind Sie schon einmal von ihrem HR-Chef mit einem Vorschlag überrascht worden, wie man Lohnungleichheit im Unternehmen eliminieren könnte. So ganz von sich aus, ohne Befehl von oben?
 
Natürlich könnte man jetzt auch den Spiess umdrehen und fragen: Warum haben Sie als CEO und als VRP nicht die Personalverantwortlichen aufgefordert ein Strategiepapier zu entwickeln, wie im Unternehmen Lohnungleichheit künftig verhindert und die bestehenden Fälle korrigiert werden könnten? Im schlimmsten Fall hätten Sie geantwortet: Ich traue es den HR-Verantwortlichen nicht zu, etwas Vernünftiges zu entwickeln. Nun, die Tatenlosigkeit vom obersten Management und vom HR hat jetzt eine Verschärfung des Gleichstellungsgesetzes zu Folge. Die Vorschriften nehmen zu, die Administration und der Aufwand steigen, und natürlich auch wieder das Gemecker über den Staat, der sich überall einmischt. Das hätte man verhindern können, wenn man diese Form der Ungerechtigkeit nicht schamlos ausgenutzt hätte, um Frauen als günstige Arbeitskräfte zu missbrauchen.

Riccarda Mecklenburg, Präsidentin Verband Frauenunternehmen, Founder CrowdConsul.ch


Das Backpulver der Moralisierung

Das Backpulver der Moralisierung

Cancel Culture, Gendern, Gesetzesverschärfungen gegen Medien durch den Nationalrat, Anti-Terror-Gesetze gegen 12jährige, CO2- und Veganismus-Meinungsterror, Pandemie-Missmanagement, Rahmenabkommen-Erpressung, Friday-for-Future-Reload, Dubler Mohrenköpfe und noch ein paar weitere Begriffe, rumoren mir im Kopf herum. Das klingt so wahllos aneinander gereiht ziemlich wirr. Aber es gibt dazu einen Oberbegriff. Und dieser heisst: Freiheit.

Darf man sich die vermeintliche Freiheit herausnehmen, jemand mundtot zu machen und ihre Karriere zu beenden, nur weil diese Person eine andere Haltung zu bestimmten Themen hat und diese kundtut? Ich rede dabei nicht von der «Man-darf-doch-wohl-noch-sagen»-Attitüde. Sondern von einer Haltung, die intellektuell anständig vertreten und gestern noch normativ akzeptiert wurde.

Muss ein Käs-Lädeli Dubler Mohrenköpfe aus dem Sortiment nehmen, weil ein paar Kunden Amok laufen? Muss man Kindern indoktrinierend beibringen, wie man richtig gendert und sei es auf Kosten der Sprachkultur? Gibt es Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Pressefreiheit, Forschungs- und Veröffentlichungsfreiheit nur noch für diejenigen, welche die Befindlichkeitsexegese richtig bewirtschaften? Ist das unsere Freiheit?

Wenn der Nannystaat noch mehr in den freien Markt und ins Wirtschaftsleben eingreift, sind die nächsten Katastrophen garantiert. Denn der Nannystaat kann im besten Fall verwalten, aber keine Krise stemmen. Siehe BAG: Jährliche Antiraucher und Anti-HIV Kampagnen konnte man im Beamtenmodus hinbekommen. Eine Pandemie, sprich Krise, zu managen, hat die Behörde überfordert.

Das Backpulver der Moralisierung ist heute CO2. Das geht soweit, dass dieses Mantra sogar beim Kinderbekommen geleiert wird: Kinder auf die Welt zu bringen, sollte man unterlassen, um die CO2 Bilanz zu verbessern.

Ich will hier keine Lösung skizzieren, aber ich will, dass wir ganz kurz über das Thema Freiheit nachdenken: Sie ist ein kostbarstes Gut. Aus Freiheit resultiert Selbstverantwortung. Die persönliche Verantwortung ist eine permanente Herausforderung an unseren Mut, unseren Intellekt und unser Herz. Aber die Verantwortung braucht die Freiheit um die besten Lösungen zu entwickeln. Schränken wir diese Freiheit ein, weil wir zu viel Furcht vor der Verantwortung und vor den Gesinnungsideologen haben, werden wir kleinmütig. Und auf diesem Weg sind wir leider.

Riccarda Mecklenburg, Präsidentin Verband Frauenunternehmen, Founder CrowdConsul.ch

Diese Kolumne ist am 27. Mai 2021 in der Handelszeitung erschienen.



Generationenvertrag ohne Solidarität

Generationenvertrag ohne Solidarität

Das ältere Ehepaar stand mir auf den Füssen. Ich bat sie, Abstand zu halten. Er nuschelte durch seine Maske, sie seien geimpft. Ich sagte, ich bin es nicht. Daraufhin die Gattin: Ach sie hat Angst. Er professoral: Er würde sich auskennen, sie seien nicht mehr Überträger. Ich reagierte trocken: Das Einzige was ich bei ihm auf der Stirn geschrieben erkenne, wäre das Wort Arroganz. Dann hatte ich endlich Abstand.

Eine hässliche Szene, aber Alltag in der Schweiz. Wir öffnen, und die Geimpften sehen sich als die Privilegierten. Es ist mehrheitlich die Rentnergeneration, die geimpft ist. Und das darf man doch ausspielen. Oder? Mir geistert das Wort Generationenvertrag durch den Kopf. Es ist ein fiktiver Vertrag, nirgends niedergeschrieben, aber als gesellschaftliche Grundlage bei uns verankert: Die Jungen sorgen für die Alten.

«Den Alten gehört die Zukunft», titelte vor kurzem die NZZ. Und in meinem Kopf drehte sich das Wort «Generationenvertrag» zu «Generationenkonflikt». Es ist eine Tatsache, dass die junge Generation – insbesondere die Schulkinder – in der Pandemie einen sehr hohen Preis zahlen muss für die Rücksichtnahme auf den älteren Bevölkerungsteil, der bei uns zahlenmässig der Grösste ist.

Die Mehrheit bestimmt. Auch das ist ein tief verankertes Gerechtigkeitsprinzip. Stimmt dieses Prinzip immer noch, wenn Kindern und Jugendlichen der Start in die Zukunft verbaut wird? Wenn sie kaum Präsenzunterricht haben und ihre Ausbildungen stocken? Ist es fair, wenn die junge Generation den Müll und die Schuldenlast der vorherigen Generation übernehmen muss? Hinterlässt ein Verwandter einem Schulden, kann man das Erbe ausschlagen. Aber was machen die Jugendlichen mit dem Erbe, dass wir ihnen hinterlassen? Ausschlagen geht nicht. Wir regen uns auf, wenn Jugendliche im pubertären Überschwang Littering betreiben; sind aber eigentlich kein bisschen besser. Wir kaschieren es nur eleganter. Niemand sieht bei Abstimmungen, wie man abgestimmt hat, wenn es wieder um AHV-Revisionen geht. Schützt man sein eigenes Interesse und Wohlergehen, oder denkt man solidarisch an die nachfolgenden Generationen? Unsere Blickrichtung, unsere Verantwortung muss sich dringend auf die junge Generation fokussieren. Die mangelnde Nachhaltigkeit und Weitsicht unserer vergangenen Entscheidungen trägt keine goldenen Früchte.

Riccarda Mecklenburg, Präsidentin Verband Frauenunternehmen, Founder CrowdConsul.ch


Scharfer Schnitt

Scharfer Schnitt

Endstation bei Hiob: Nur ein kleiner Teil der ausgemusterten Scheren, Pinzetten, Klammern, die durch Einwegmaterial ersetzt werden, die viel Geld kosten.

«Operation Senegal» heisst das Projekt, das ich seit ein paar Wochen begleite. Die engagierte Frau, die ich bei ihrem Crowdfunding-Projekt berate, möchte am Stadtrand von Dakar in einem Armenspital einen OP-Saal für die Maternité einrichten. Jedes Jahr sterben dutzende von Müttern, weil es Geburtskomplikationen gibt. Die Crowdfunderin, eine Pflegefachfrau, kennt die Rahmenbedingungen vor Ort. Ich mag engagierte Menschen. Es ist nicht nur für meine Kunden ein kleines Abenteuer ein Crowdfunding zu machen, sondern auch ich lerne jedes Mal etwas Neues hinzu. Diesmal war es eine an Schwachsinn grenzende Erste-Welt-Verschwendung:

Als sich abzeichnete, dass wir die benötigte Summe nicht zusammen bekommen, haben wir Kontakt mit der Organisation Hiob aufgenommen. Bei Hiob landen die ausgemusterten Spitalausstattungen der Schweiz. Alle Geräte, Materialien, Ausrüstungen, die Spitäler nicht mehr benutzen, findet man dort. Zum Beispiel: Ein Regal voll mit Sterilisationsapparaten. Denn, so lautete die Begründung auf mein Nachfragen hin, das Sterilisieren lohne sich nicht, da die Personalkosten in der Schweiz dafür zu hoch seien. Deswegen werden inzwischen nur noch Einweg-Scheren, -Pinzetten, -Zangen, -Spachtel etc. benutzt. Und nach einmaligem Gebrauch entsorgt.

Ergo waren in den Lagerhallen der Organisation wäschekörbeweise ausgemusterte Scheren, Pinzetten, Zangen in allen Grössen und Formen zu finden. Beeindruckt von dieser Menge, fragte ich bei meiner Hausärztin nach, wie sie es mit dem Sterilisieren und Wiederverwenden bei sich in der Praxis halte. Die Antwort war ernüchternd: Ja, sie sterilisieren noch alles. Aber die Arbeit des Sterilisierens wird nicht vergütet. Würde sie hingegen eine Einwegschere benutzen, könnte sie das als Aufwand bei der Krankenkasse als Taxpunkt abrechnen. Sie zeigte mir ein Muster von einer Wegwerfschere, die sie von einem Vertreter bekommen hatte. Ein hochwertiges Produkt, rostfreier Stahl, steril verpackt. Made in Pakistan, war auf dem Etikett zu lesen. Diese Schere hat einiges an Energie und Stahl gekostet, wurde steril verpackt in die Schweiz transportiert, um dann nach ein paar Schnitten im Müll zu landen. Einfach weil man es abrechnen kann. Weil unser System so ist. Falls Sie sich wundern, warum die Krankenkassenprämien steigen, schauen Sie mal bei Hiob vorbei.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch


Ein OP-Saal um Mütter zu retten

Letzten Oktober kam Rosaria Mazzillo auf mich zu und fragte nach Unterstützung für ihre Crowdfunding Idee. Sie war vor Jahren mit dem Centre de Santé Golf Sud in Kontakt gekommen. Das ist ein Armenspital am Stadtrand von Dakar. Als Pflegefachfrau bekam sie schnell Kontakt und Einblick zu den Ärztinnen und Pflegenden. Durch das Gespräch mit der Chefhebamme, erfuhr Rosaria, dass im Spital leider eine zu hohe Anzahl von Müttern bei der Geburt sterben, weil es Komplikationen gibt. Im Spital fehlt ein OP-Saal. Die Räume sind samt Anschlüsse da, aber die Ausstattung fehlt. Das Spital kann diese Beträge nicht erwirtschaften um einen OP-Saal einzurichten. Deswegen nahm Rosaria dieses Problem an und setzte ein Crowdfunding auf. Hier ist der Link zum Unterstützen: Ein OP-Saal um Mütter zu retten

Und im Video erklärt sie mehr zum Projekt. Danke für jede Hilfe.