Ich liebe meinen Coworking-Space. Jeder, der zum ersten Mal reinkommt, ist überrascht wie schön er eingerichtet ist. Erkläre ich, dass es ein Frauen-Coworking-Space ist, verstehen sofort alle, warum er so eingerichtet ist, als ging es um «Schöner Wohnen» und gleichzeitig kommt die Frage: «Darf ich als Mann da überhaupt rein?» «Ja natürlich, aber nur gewaschen und flüsternd», ist dann meine charmante Antwort.
100’000 Coworking-Plätze sollen in den nächsten Jahren ausserhalb von urbanen Hotspots entstehen. So lautete das Postulat, dass sieben Nationalräte aus allen grossen Parteien vergangene Woche beim Bundesrat eingereicht haben. Der Bund soll diese Form des Arbeitens fördern. Eigentlich eine tolle Idee, denn aus eigener Erfahrung weiss ich, dass meine Entscheidung in einem Coworking-Space zu arbeiten, mein Startup enorm professionalisiert hat. Dank Digitalisierung reichen für etliche Startups ein gutes WLAN, ein Laptop, ein Handy und ein paar clevere Apps und das Remote-Startup kann loslegen.
Man arbeitet vernetzt zusammen, aber nicht gemeinsam von einem Ort aus. Seit COVID-19 wissen etliche die Vorteile des eigenen Homeoffices zu schätzen, aber auch das hat seine Grenzen. Entweder wird der Platz zu knapp oder die Einsamkeit zu gross. In diesem Fall kann man wieder ins normale Office wechseln, aber als Remote-Startup sitzt man dann in Cafés, die zu laut, zu ältlich, zu hässlich oder zu zugig sind. Und das Problem der physischen Meetings ist auch nicht gelöst. Daher sind Coworking-Spaces perfekt. Hinzu kommt noch, dass wir uns untereinander austauschen. Man fragt sich gegenseitig, bekommt Tipps, vernetzt sich, gibt Erfahrungen weiter. Will ich etwas über Trends erfahren, frage ich die Mode-Influencerin am Nebentisch, brauche ich Erklärungen für neue Tools frage ich die blasse Kollegin mit der Nerdbrille und den roten Augen.
Diese moderne Form der Arbeitswelt ist eine grossartige Entwicklung, bleibt in der Regel aber den urbanen Zentren vorbehalten. Daher verstehe ich die Nationalräte, die diese Idee auch in die Regionen und in ländliche Gebiete tragen wollen. Aber ob es dann gleich wieder eine staatliche Förderung braucht, bezweifle ich. Warum können nicht Firmen aktiv werden, die in den Regionen verankert sind. Wie viele Geschäfte stehen leer und könnten mit neuen Konzepten belebt werden? Lasst die Ideen, die Initiativen und den Unternehmergeist wirken und erspart dem Bundesrat die Aufgabe, auch noch hier eingreifen zu müssen. Wir haben schon genug Nanny-Staat.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Erschienen in der Handelszeitung Nr. 26, 25.6.2020
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