Letzte Woche bin ich mal wieder in einen Social Media Shitstorm geraten. Irgendjemanden bin ich mit irgendetwas total auf den Schlips gestanden. Es ging um einen Begriff, der ihm nicht passte. Und das Pseudonym, hinter dem er sich verbarg, flippte aus. In meinem anfänglichen Versuch ihn zu beschwichtigen, goss ich nur Öl in sein Wutfeuer. Anscheinend hatte das Pseudonym noch eine ganze Community von Gleichgesinnten oder Zweit-, Dritt- und Viert-Accounts. Jedenfalls war es ein rechtes Geballer mit immer wilderen Verdrehungen und Behauptungen. Eine Moderation war nicht mehr möglich und Diskussion sowieso nicht.

Miteinander denken statt gegeneinander denken

In solchen Fällen verabschiedet man sich am besten. Löscht später alles und denkt bekümmert an eine Diskussionsethik, die 2300 Jahre alt ist. Sie heisst Sokratische Methode und hat sich bis heute weiterentwickelt. Neben der Fragetechnik, die der Kern der Methode ist, geht es um Einstellungen wie zum Beispiel: Miteinander zu denken, statt gegeneinander zu denken und wahrheitsorientiert denken, statt Meinungen auszutauschen. Ergänzt man diese Überlegungen noch mit Diskussionstugenden wie Argumentationsdisziplin, Fähigkeit zur Selbstkritik, kritischer Toleranz, Freundlichkeit und Geduld entsteht eine lebendige und zugleich höfliche Atmosphäre.

Diese Form des Miteinanders scheint aber komplett verloren zu gehen, sobald man sich anonym begegnet, wie in den sozialen Medien. Wobei man gerechterweise sagen muss, dass wir alle auch in realen Begegnungen schon diverse Ausfälligkeiten bei Diskussionen erlebt haben. Trotzdem ist die Enthemmung auf den sozialen Plattformen signifikant destruktiver.

Bleiben wir aber bei der Sokratischen Methode, denn sie begegnete mir diese Woche gleich noch einmal. Bei einer Weiterbildung zum Thema «Integrität und Zivilcourage im VR» stellte ein Teilnehmer unter anderem die Sokratische Methode als Tool für die Kultur im Verwaltungsrat vor. Werte und integres Handeln, so seine Konklusion, gehen Hand in Hand je mehr Zivilcourage und Unabhängigkeit in einem Board vorhanden sind. Das braucht eine offene Diskussionskultur, aber auch den Austausch von Wissen ohne Powerplay. Denn so funktioniert miteinander denken statt gegeneinander denken. Genauso wie es sich Sokrates vor 2300 Jahren gewünscht hat. Im Stillen beglückwünschte ich den Kollegen zu dieser Board-Kultur.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch