Kolumne aus der Handelszeitung Nr. 20 vom 17. Mai 2018
Experiment: Der Vorzeigemann
Internes Memo an meine Kaderfrauen: streng vertraulich!
Geschätzte Kolleginnen
Wie ich Ihnen schon länger angekündigt habe, möchte ich die Diversität unserer Firma verbessern. Laut aktuellen Studien sollen männliche Mitarbeiter, sogenannte Spitzenmänner, gut fürs Arbeitsklima und die Unternehmensperformance sein. Unser HR-Verantwortlicher Kevin Möbelhöfer-Krällensteinli wurde damit beauftragt. Ihm wurde das Budget von unserer CEO erteilt, ein paar Vorzeigemänner einzustellen. Die Versuchsphase mit den Quotenmännern soll 18 Monate dauern. Anschliessend wird das Projekt kritisch auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft. Mit dieser Entscheidung kommen wir dringenden Forderungen von Beraterinnen nach, die uns auf die nicht mehr ganz zeitgemässe Zusammensetzung unserer Teams aufmerksam gemacht haben. Wir wurden auch von High-Potential Kundinnen darauf hingewiesen, dass ein paar farbige Sockenträger unserem Image gut anstehen würden.
Ich bitte Sie, mit den gut aussehenden Alibi-Männern respektvoll umzugehen und mit ihnen eine Arbeitsbeziehung ohne die typisch weiblichen Vorurteile aufzubauen. Falls es trotzdem Probleme mit mangelndem Wissen und Können bei den Herren gibt, bleiben Sie höflich und respektvoll. Als Rainmakerin wissen Sie, dass ein zeitgemässes Image Gold wert ist. Selbst wenn sich die Aushängeschilder als Hobbytruppe erweisen sollten.
Falls Sie feststellen, dass einzelne dieser Vorzeigemänner wenig gewieft und unsensibel vorgehen, bitte ich Sie zuerst das Gespräch mit diesen männlichen Aushängeschildern zu suchen. Falls das nichts nützt und die Leistungsschwäche anhält, informieren Sie bitte Herrn Möbelhöfer-Krällensteinli.
Wie gesagt, in 18 Monaten werden wir entscheiden, ob die gut aussehenden Vorzeigemänner tatsächlich eine Bereicherung für unsere Unternehmung sind oder ob wir das Experiment abbrechen können, weil sie mehr versprachen, als sie schliesslich lieferten.
Mit freundlichen Grüssen: R. Mecklenburg, COO
PS: Falls Sie das alles ziemlich schwachsinnig fanden – Gratulation. Leider ist das der Jargon aus den Wirtschaftsmedien, ausgenommen diese Zeitung. Gesammelt in den letzten Tagen – nur waren die Rollen vertauscht. Es wurde so über Frauen geschrieben.
Riccarda Mecklenburg, Verband Frauenunternehmen, Founder CrowdConsul.ch
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