Nannystaat: Dein Name sei Corona

Nannystaat: Dein Name sei Corona

Letzte Woche war ich bei meiner Coiffeuse. Schon am Telefon hatte sie mir mitgeteilt, dass ich draussen vor der Türe warten müsse, bis sie mir aufmachen würde. Ferner gäbe es nichts zu trinken und nichts zu lesen. Ich müsste eine Maske mitbringen oder könne eine bei ihr erwerben. Meine selbstgenähte Maske ginge nicht. So weit so schlecht. Zum Coiffeur gehe ich zweimal im Jahr und es ist für mich etwas Besonderes. Es ist eine Form von Wellness. Es dauert auch entsprechend lang und hat seinen Preis.

Was dann aber folgte, war eine mittlere Tortur. Mit den Gummihandschuhen verhedderte sich meine arme Coiffeuse dauernd in meinen langen Haaren und riss an ihnen. Ich war kurz davor, die Übung abzubrechen. Nach drei Stunden war das Drama zu Ende und ich habe mir geschworen, dass ich nicht mehr zum Coiffeur gehe, so lange das Corona-Panik-Regime verordnet ist. Das BAG, das alle diese Vorgaben gemacht hat, damit Coiffeure wieder aufmachen dürfen, sind ausgerissene Haare wurscht. Aber meiner Coiffeuse war es peinlich und mich hat es geärgert.

So wird es vielen gehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass inzwischen Menschen auf die Strasse gehen, die daran erinnern, dass die Freiheit des mündigen Bürgers über den überdrehten und planlosen Massnahmen von Beamten steht. Sicher ist es wichtig, dass der Staat zu seinen Bürgern schaut und sie schützt. Aber jetzt kippt es in eine unerträgliche Bevormundung. Wie nun Wirte ihre Beizen eröffnen oder Coiffeure die Haare pflegen, sollte nicht bis in jedes Detail von BAG-Beamten vorgegeben werden.

Ob wir nun durch eine digitale Blockwart-App wie dieses Tracing- oder Tracking-System zu mehr Sicherheit kommen, ist ungewiss. Was nutzt es mir zu wissen, dass ich in der Nähe von einem Infizierten war, ausser dass es mich in Panik versetzt? Panik ist kein guter Ratgeber. Das nährt nur Phobien, befeuert Verschwörungstheorien und provoziert Trotzreaktionen. Besser wäre es auf die Mündigkeit der Bevölkerung zu setzen als den Nannystaat zu zementieren. Das Virus wird gefährlich bleiben, solange es keinen Impfstoff gibt. Also braucht es mehr Distanz untereinander, aber das soll jeder selber regeln. Dass zwei Meter genügen, weiss inzwischen jeder. Dass Massenveranstaltungen und Begrüssungsküsschen ungesund sind, wissen wir auch. Masken tragen ist okay. Aber es darf kein Thema sein, dass sechs oder sieben Jugendliche zusammenstehen und rumblödeln oder meine Coiffeuse mir ohne Gummihandschuhe die Haare pflegt.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch

Erschienen in der Handelszeitung Nr. 20 vom 14. Mai 2020

 


 

Kevin Home Alone

Kevin Home Alone

Ist ihr Chef auch so ein digitaler Kevin? Ja, ich weiss, es ist gemein, diesen Namen so zu missbrauchen und ich kenne auch einen Kevin, der ist Astrophysiker. Aber so ist es eben. Jede Zeit hat Stellvertreternamen für ihre Dödel.

Also: Kevin rennt jeden Tag trotz verordnetem Homeoffice in die Firma und sitzt dort herum. Er weigert sich beharrlich, mit Remote-Tools zu arbeiten. Video-Konferenzen sind ihm ein Gräuel, weil er nicht weiss, wie es geht und er zu eitel ist, zu fragen. Sich mit seinem Laptop mit anderen über Plattformen wie Slack oder Trello auszutauschen, wäre sein Albtraum. Denn er kann es nicht und will es auch nicht lernen. Lieber gibt sich Kevin keine Blösse, sondern kultiviert die Mär vom unermüdlichen Einsatz des Chefs für die Firma. Denn einer muss ja noch vor Ort sein und die Stellung halten. Und das am besten mit Dauerpräsenz. So weit, so gut, denn wäre er allein in der Beletage, wäre das ja auch eine Form von Quarantäne.

Aber so funktioniert die Corporate-Ebene nicht. Der Chef braucht seinen Stab vor Ort. Und das wissen alle, die das Prinzip der «Karriere Sau» von Adel Abdel-Latif verinnerlicht haben. Also sind auch alle Ehrgeizlinge um den Chef herum. Homeoffice ist was für Weicheier. Diejenigen, die nach oben wollen, stehen stramm beim Chef.

Wunderbar, endlich ist die harte Truppe um den Digial-Dino versammelt und sie könnten in Ruhe arbeiten. Nur fehlen leider die Untergebenen, die man sonst den ganzen lieben Tag lang mit Geschwätz und Nullrelevanz-Aufgaben beschäftigen kann. Die sind nämlich brav im Homeoffice, üben das horizontal vernetzte Arbeiten mit digitalen Tools und bemerken schnell, welche Abläufe innerhalb von alten Organisationsstrukturen durch die Digitalisierung verbessert werden können. Sie vermissen keine Sekunde die vertikalen Strukturen, die Hierarchie, die Lehmschichten, die alles mühsam und undurchlässig machen. So ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit beim Thema Homeoffice recht positiv ausfallen. Vorausgesetzt, man hat nicht Klein- oder Schulkinder zusätzlich zu betreuen.

Also was machen unsere Kevin-Dino-Getreuen nun so alleine? Sie schreiben Konzepte. Konzepte für die Zeit nach Corona. Konzepte, wo die Corporate-Etage noch Systemrelevanz hätte, aber in Tat und Wahrheit geht es auch ohne sie.

Erschienen in der Handelszeitung, Nr. 17, 23.4.2020


 

Crowdfunding: Masken für alle

Crowdfunding: Masken für alle

Carole und ich haben ein Crowdfunding aufgesetzt bei Crowdify. Wir wollen Schutzmasken für alle finanzieren, um so gegen Wucher und Mangel vorzugehen. Wenn Du hochwertige Schutzmasken vom Typ KN95 auch bekannt unter FPP2 suchst, mach bei unserem Crowdfunding mit. Hier geht es zum Link: https://www.crowdify.net/de/projekt/masken-fuer-alle

Danke für Deine Mithilfe und danke dass Du Dich und andere schützt mit dem Tragen von Schutzmasken. Das ist echt klug von Dir.

Bleib gesund
Deine Carole und Riccarda

http://maskenfueralle.ch.marissa.ch-meta.net


 

Davos off the record

Davos off the record

Ort: Davos, oberhalb der Schatzalp. Eine Parkbank mit Blick auf das Städtchen. Zwei Personen treffen sich dort. Sie, graubraune Strickmütze, selbst gestrickter Schal, Patagonia-Parka. Er mit Canada-Goose-Wintermantel samt Kojotenfell. 

Er: «Danke, dass du gekommen bist. Dachte schon, dass es nicht klappt, weil du mich verachtest.» Sie: «Weil du für den Typen arbeitest?» «Ja.» «Also Mitleid kannst Du von mir nicht erwarten. Die CO2-Bilanz von deinem Chef ist ja auch grauenvoll. Gleich mit vier Flugzeugen anzureisen.» «Naja, das ist das Protokoll. Das geht nicht anders. Aber bist du wirklich die Social-Media-Verantwortliche von Greta?» «Ja. Also sie schreibt das meiste selber, ich versuche nur, das Schlimmste zu verhindern oder zu löschen.» «Echt, das kommt mir bekannt vor. Das mache ich für Potus auch. Totaler Frustjob. Keiner nimmt einen ernst.» «Und Du kannst so einfach mit mir darüber reden?» «Ich bin ja kein Geheimnisträger, sondern Teil der Putztruppe. Du hast es leichter. Der Welpenschutz, den Greta hat, entschärft alles was, sie sagt. Aber ich mit meinem Narzissten mit Pinocchio-Nase.» «Dann wechsle doch den Job.» «Chancenlos. Mit diesem Track-Record nimmt mich keiner.» «Doch Kim Jong-Un.» «Scheitert an meinem Koreanisch. Aber im Ernst. Da hast du es besser.» «Nicht unbedingt. Was glaubst du, wie mühsam es ist, mit so einer spassbefreiten Truppe tagelang in Zügen, Bussen und zu Fuss unterwegs zu sein. Und ständig die Leute über die Medien zu erziehen und die Moralkeule zu schwingen. Ich warne die ganze Zeit, dass wir über das Ziel hinausschiessen mit diesen missionarischen Reden, Drohungen, Ultimaten mit ’how dare you’ oder ’I want you to feel panic’. Aber auf mich hört auch keiner. Irgendeiner hat mal gesagt: Wenn die Kritik an Zuständen mehr nervt als die Zustände selber, dann muss man aufpassen. Und davon sind wir nicht mehr weit entfernt.» «Ich wünschte mir, wir könnten die beiden samt den Journalisten Social-Media-mässig unpluggen. Was glaubst du wie entspannt und kontrolliert die Kommunikationsarbeit wieder wäre. Es gäbe vielleicht noch ein paar chaotische Pressekonferenzen, also zumindest auf Potus‘ Seiten, aber dann liefe alles durch kontrollierte Kanäle.» «Träum weiter. Ich muss zurück und noch etwas Empörungsbewirtschaftung betreiben.» «Darf ich dich auf einen Drink einladen?» «Nur wenn du diese Winterjacke gegen was Selbstgestricktes austauscht.»

Erschienen Handelszeitung N. 5, 30. Januar 2020

 


 

Diät-Coach? Nein danke!

Diät-Coach? Nein danke!

Na? Heute schon wieder mindestens ein Dutzend LinkedIn-Einladungen von irgendwelchen netten Businessmenschen erhalten? Und? Alle bestätigt? Unbesehen? Und prompt kam von einigen frisch gewonnenen Business-Kontakten ein flottes Dankes- und Begrüssungsmail: «Hallo, hier ist ihr neuer Fitness-Coach», oder so ähnlich. Dabei dachte man, als man in der Einladung las: «Sie haben 243 gemeinsamen Kontakte», das kann doch nur jemand extrem sympathisches sein, den man irgendwie aus den Augen verloren hat. Weit gefehlt. Fast genauso schlimm sind die Zeitgenossen, die LinkedIn oder Xing mit Facebook verwechseln und einem mit Urlaubs- oder Partyfotos beeindrucken wollen. Die Käfersammlung von Borneo oder die Massenselfies von der Firmenweihnachtsfeier können mir genauso gestohlen bleiben, wie die Werbe- und schleimigen Begrüssungsmails.

Schleimige Begrüssungsmails

Aber ich prophezeie Ihnen: 2020 wird es schlimmer. Da Facebook in unseren Breitengraden massiv in allen Altersgruppen an Relevanz verliert und Instagram samt seinen Influencern auch nicht bei uns Älteren punkten kann, sind LinkedIn und Xing bei den Social Media Agenturen angesagt. Beide Plattformen haben in den letzten Monaten massiv aufgerüstet mit Redaktionen, Experten, Diskussions- und Lernforen sowie Fachartikelsammlungen, sodass man sich stundenlang durch den Content wischen kann. Ziel: Wir sollen schön auf der Plattform bleiben und Werbung konsumieren sowie Zeit und Daten schenken.

Dabei ist das wirklich Nützliche, das Posten von eigenen Anliegen, Ideen, Botschaften oder kleinen Erfolgserlebnissen – aber eben Business-bezogen und nicht freizeitorientierte Spassbotschaften. Diese zusätzliche Reichweite durch das digitale Networking nutze auch ich und freue mich über die Likes und Reaktionen, wenn ich meine Kolumnen veröffentliche. Ebenso lese ich mich durch die Informationen aus meinem Netzwerk und verteile entsprechend Kommentare oder Emojis. Aber das wird sich jetzt ändern, denn diverse Social Media Agenturen fokussieren sich komplett auf diese beiden Business-Plattformen und werden uns gnadenlos mit «Sponsored-Mails» über Business-, Diät- und anderem Firlefanz-Themen bespielen. Der vertraute und authentische Reigen ist dann schnell zu Ende. Schützen kann man sich nur durch kritisches Hinschauen bei den Einladungen und schnelles Auflösen von Kontakten. Ich habe mich jedenfalls schon mal mit dieser Funktion vertraut gemacht.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch

 

Erschienen in der Handelzeitung, Nr.51/52, 19. Dezember 2019


 

Sokrates: Wissen heisst handeln

Sokrates: Wissen heisst handeln

Letzte Woche bin ich mal wieder in einen Social Media Shitstorm geraten. Irgendjemanden bin ich mit irgendetwas total auf den Schlips gestanden. Es ging um einen Begriff, der ihm nicht passte. Und das Pseudonym, hinter dem er sich verbarg, flippte aus. In meinem anfänglichen Versuch ihn zu beschwichtigen, goss ich nur Öl in sein Wutfeuer. Anscheinend hatte das Pseudonym noch eine ganze Community von Gleichgesinnten oder Zweit-, Dritt- und Viert-Accounts. Jedenfalls war es ein rechtes Geballer mit immer wilderen Verdrehungen und Behauptungen. Eine Moderation war nicht mehr möglich und Diskussion sowieso nicht.

Miteinander denken statt gegeneinander denken

In solchen Fällen verabschiedet man sich am besten. Löscht später alles und denkt bekümmert an eine Diskussionsethik, die 2300 Jahre alt ist. Sie heisst Sokratische Methode und hat sich bis heute weiterentwickelt. Neben der Fragetechnik, die der Kern der Methode ist, geht es um Einstellungen wie zum Beispiel: Miteinander zu denken, statt gegeneinander zu denken und wahrheitsorientiert denken, statt Meinungen auszutauschen. Ergänzt man diese Überlegungen noch mit Diskussionstugenden wie Argumentationsdisziplin, Fähigkeit zur Selbstkritik, kritischer Toleranz, Freundlichkeit und Geduld entsteht eine lebendige und zugleich höfliche Atmosphäre.

Diese Form des Miteinanders scheint aber komplett verloren zu gehen, sobald man sich anonym begegnet, wie in den sozialen Medien. Wobei man gerechterweise sagen muss, dass wir alle auch in realen Begegnungen schon diverse Ausfälligkeiten bei Diskussionen erlebt haben. Trotzdem ist die Enthemmung auf den sozialen Plattformen signifikant destruktiver.

Bleiben wir aber bei der Sokratischen Methode, denn sie begegnete mir diese Woche gleich noch einmal. Bei einer Weiterbildung zum Thema «Integrität und Zivilcourage im VR» stellte ein Teilnehmer unter anderem die Sokratische Methode als Tool für die Kultur im Verwaltungsrat vor. Werte und integres Handeln, so seine Konklusion, gehen Hand in Hand je mehr Zivilcourage und Unabhängigkeit in einem Board vorhanden sind. Das braucht eine offene Diskussionskultur, aber auch den Austausch von Wissen ohne Powerplay. Denn so funktioniert miteinander denken statt gegeneinander denken. Genauso wie es sich Sokrates vor 2300 Jahren gewünscht hat. Im Stillen beglückwünschte ich den Kollegen zu dieser Board-Kultur.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch


 

Mit E-Voting gegen Wahl-Lethargie

Mit E-Voting gegen Wahl-Lethargie

«Es grünt so grün, wenn Helvetias Blüten blühn», könnte man kalauern, wenn man das Resultat der Wahlen vom vergangenen Sonntag betrachtet. Noch nie war das Parlament so jung, so weiblich und so grün. Eigentlich eine ganz spannende Entwicklung und eine Verschiebung der Sitze, wie sie die Schweiz kaum je gesehen hat. Trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack: Es ist die Wahlbeteiligung. Wieder sind weniger Menschen an die Urne gegangen, obwohl die Politologen wegen der Klima-Demos und des Frauenstreiks eine grosse Mobilisierung erwarteten. Von mehr als 50 Prozent Wahlbeteiligung wurde gesprochen. Das Gegenteil war der Fall. Sie sank um 3,4% auf 45,1%.

«Wenn der Wähler nicht zur Urne geht – kommt die Urne zum Wähler»

Über die Gründe werden wir in den nächsten Monaten sicher noch Näheres erfahren. Aber so geht es nicht weiter. Die Schweiz lebt von der direkten Demokratie. Sie braucht das Engagement von allen Wählerinnen und Wählern und nicht nur von weniger als der Hälfte aller Wahlberechtigten. Wenn die nicht einmal durch die Briefwahl zu mobilisieren sind, braucht es neue Möglichkeiten. Stichwort: E-Voting. Wenn die Wähler nicht zur Urne gehen, dann kommt die Urne eben zu den Wählern. Es ist an der Zeit, neben der persönlichen Stimmabgabe und der Briefwahl einen dritten Kanal anzubieten, um abstimmen zu können, denn das Nutzer-Verhalten der Menschen ändert sich. Natürlich kann man leidenschaftlich argumentieren wie bequem, gleichgültig und unverantwortlich viele Wahlberechtigte sind, wenn sie nicht wählen gehen. Aber vielleicht müssen sich auch die demokratischen Rituale der Zeit anpassen. Das Ritual, mit dem Säbel an die Landsgemeinde zur Abstimmung zu gehen, gehört ja auch der Vergangenheit an.

Leider wurde das Projekt E-Voting in diesem Frühling vom Bundesrat auf Eis gelegt, weil die Sicherheitslücken bei den Tests zu gravierend waren. Die Beteiligten schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Das war’s dann auch. Zwar fordert der Bundesrat mit eindringlichen Worten von Unternehmern und der Bevölkerung, dass sie sich mit Enthusiasmus in die digitale Transformation stürzen sollten, wenn es aber um die Bundesverwaltung geht, ist es schnell vorbei mit dem Enthusiasmus.

Aber es gibt Hoffnung: nämlich, dass im verjüngten Nationalrat nicht nur über Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt debattiert wird, sondern dass auch E-Government und E-Voting zuoberst auf der politischen Agenda stehen. Damit denen die Ausreden ausgehen, die immer auf «die da oben» schimpfen, aber nie einen Finger rühren, wenn es ans Wählen geht.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch

Karriere in Greta-Zeiten

Karriere in Greta-Zeiten

Falls Sie vorhaben, Karriere zu machen und zwar so, dass Sie zu einer Person des öffentlichen Interesses werden, gibt es neuerdings ein paar Prinzipien einzuhalten. Insbesondere wenn Sie das Spektrum liberal, christlich, grün-liberal, grün oder rot anpeilen, sollten Sie unbedingt ein paar Leitlinien beherzigen. Dabei ist es egal ob Sie nationale Politik oder einen hohen Posten in der Wirtschaft im Visier haben.

1. Das Kompendium «Genderkorrekte Sprache» muss Ihnen absolut vertraut sein. Es heisst also nicht Rednerpult, sondern «Redepult». Und bisher übliche Begriffe wie Fachmann, Chef, Experte, Abteilungsleiter, Kunde sind heute alle toxisch. Sie wissen schon was ich meine.

2. Sie sollten sich bedingungslos zum «#Nanny-Staat» bekennen. Der überfürsorgliche Staat ist absolut im Trend. Als politisch aktives Mitglied des Staates fordern Sie umfassende Regulierungen, Gesetzesänderungen, Verbote, Subventionen und Vorschriften, die das normale Leben der Bürger und Bürgerinnen bis ins Detail regeln: Essen, Trinken, Genussmittel, Freizeitgestaltung, Mobilität, Handy-Strahlung. Überall lauern Gefahren, vor denen die Menschen vom Staat geschützt werden müssen. Umgekehrt, fordern Sie als

Bekennen Sie sich zum Nanny-Staat

Unternehmer und Unternehmerin oder CEO sofort von der Politik zusätzliche Gesetze, Verordnungen und natürlich Subventionen, um den Nanny-Staat zu stärken. Damit geben Sie sich ein zeitgemässes Image und demonstrieren wie wichtig Ihnen das Wohlergehen aller Menschen ist.

3. Dann müssen Sie ihre gesamte mediale Vergangenheit nach kompromittierenden Fotos oder Posts durchforsten und zwar bis zum Kindergarten. Falls es irgendwelche Fasnacht- oder Partyfotos gibt, wo Sie etwa mit einem dunkel angemalten Gesicht abgelichtet wurden, sich als Arabischer Prinz verkleidet haben, und sei es nur, dass Sie bei einer Leihenaufführung den Othello mimten, löschen Sie sofort diese Bilder. Falls das nicht geht, schreiben Sie umgehend einen 3000 Zeichen langen Kommentar dazu. Darin entschuldigen Sie sich! Bedauern den jugendlichen Leichtsinn, erklären Ihre Unbedarftheit, streuen sich Asche aufs Haupt, schwören, dass Sie sich gebessert haben und sich inzwischen für den Schutz aller Minderheiten einsetzen.

4. Falls Sie Karriere machen wollen im Parteienspektrum rechtsbürgerlich bis ganz rechts, als konservativer Firmenpatriarch oder die Nachfolge von Donald Trump antreten wollen, können Sie die Tipps 1 bis 3 streichen. Sie haben Carte Blanche.

Salzlose Politphantasien

Salzlose Politphantasien

Meine Handtasche ist ein eigenes Universum. Der Inhalt ist summa summarum schwer. Jeder Mann, der sie in die Hand nimmt, ist über das Gewicht überrascht und fragt stereotyp: „Was schleppst du alles mit Dir rum?“ Je nach Stimmungslage kontere ich mit: „Meine Autobatterie“ oder „das Leben“. Es ist das Leben, was die Handtasche immer schwerer macht. Neben Accessoires wie Rescue-Kosmetik, Pflaster, Nylon-Strumpfhosen, Kabel und Ladegeräten, Powerbank, I-Pad, allerlei Zahlungsmöglichkeiten wie Plastik und Bares kommen noch Akten, ein Notizbuch und etliche Parfums dazu. Verschiedene Schreibgeräte, Not-Süssigkeiten und noch ein paar Dinge beulen die Tasche zusätzlich aus. Und sie wird wohl nicht leichter. Denn so wie sich unser Leben entwickelt, sehe ich, dass ich mich gegen drohende Bevormundungen wappnen muss.

Zum Beispiel will der überbesorgte Bundesrat unser Essen fader machen. Zucker soll verschwinden und das oft schon geschmacklose Brot soll laut Verordnung mit weniger Salz gebacken werden. Ziel der Übung: Der Staat will uns länger am Leben erhalten. Ich frage mich zwar, warum wir mit fadem Essen noch älter werden sollen, wo man schon jetzt nicht weiss, wie man die AHV für das Heer der Alten finanzieren soll. Aber, das sind viel zu komplizierte Fragen. Bleiben wir konkret: Ich will kein fades Essen, also kommen Salz und Zucker in die Handtasche. Dann will der Staat, dass wir weniger Alkohol trinken und verteuert den Genuss. Zehn Franken für das Einerli im Restaurant. Na gut, dann mache ich es wie meine Jungs. Ich glühe vor dem Restaurantbesuch mit einem Flachmann vor. Der kommt auch in die Tasche. Dann habe ich mir das Kompendium „Korrekte Gendersprache leicht gemacht“ in die Tasche gestopft und die Bibel „Veganismus für Anfänger“ ist auch schon drin. Und ich habe etliche Zertifikate und Ablassbriefe dabei, die beweisen, wie ich meine Umweltsünden kompensiere. Jetzt bin ich bei gefühlten 12 Kilo.

So geht das nicht weiter: Kann nicht ein cleverer Programmierer eine App entwickeln, die mein Wohlverhalten permanent misst, wie meine Fitness-App mein Bewegungsmuster? Alles wird gesammelt: Gender-korrekte Sprachwahl, Zigaretten-, Zucker-, Salzkonsum und Alkohol im Blut, meine fleischlosen Verdauung und möglichst sparsames Ausatmen wegen CO2. Lebensfreude wird diese App für Puritaner und Puritanerinnen aber nie messen, aber dafür mein Wohlverhalten. Laut Hörensagen soll dieses Punktesammeln in China schon funktionieren. Nur wird das Sozialpunktesystem mal wieder staatlich missbraucht und zum Ausspionieren der eigenen Bürger benutzt. Da stellt sich nur die Frage, wann das auch bei uns der Fall sein wird. Vielleicht schleppe ich doch lieber 12 Kilo persönliche Anarchie mit mir herum und geniesse das Leben.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch

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Die Mär vom Rattenfänger

Die Mär vom Rattenfänger

Meine Jungs lieben Memes (ausgesprochen mims) wie so viele Jugendliche. Das sind in der Regel lustige Fotos, häufig mit Promis und einem schrägen Spruch dazu. Geteilt werden diese auf den angesagten Socialmedia-Kanälen. Manchmal schicken sie mir auch welche, die sie für «Mami-konform» halten. Schicke ich ihnen welche, lese ich meistens als Antwort: «kenn ich schon, ist uralt». Soviel zum innerfamiliären Kommunikations-Pingpong.

Kürzlich bekam ich ein Meme mit zwei herzigen kleinen blonden Mädchen in hellblauen Kleidchen, Kniestrümpfen, die Händchen hielten. Nur waren es keine Mädchen, sondern Donald Trump und Boris Johnson, die sich so unschuldig zusammen präsentierten. Das Meme kam komplett ohne frechen Spruch aus. Es erzählte auch so Bände.

Treuherzig wie die beiden dreinschauen, versinnbildlichen sie genau ihre Kommunikationsstrategie: Wir erzählen süsse Geschichten, die zwar nicht wahr sind, aber allen gefallen werden. «Make the UK the greatest Place on Earth» – klar doch. «Unbeugsamer Boris, Kämpfer gegen die EU» – grossartig. «No Deal Brexit» – ha, wir ziehen es unbeugsam durch. «Den Chinesen zeigen, wo Gott wohnt» – yeah Donald!

Wir erzählen unseren Kindern die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln, in der Hoffnung, dass sie für ihr weiteres Leben kapieren, dass blindes Mitlaufen nur Verderben und Unglück bringt. Aber wir schaffen es selber nicht, Demagogen zu entzaubern. Jede Generation scheint ihr Debakel erleben zu müssen. Die Vietnamkriegsgeneration wurde mit falschen Versprechen in den Krieg gelockt. Den zweiten Irak-Krieg legitimierte die US-Regierung mit Lügenpropaganda und jetzt werden wieder Geschichten erzählt, in der die Realität geleugnet wird, aber Grösse und Stärke beschwört werden.

Boris gaukelt seinen Fans vor, dass ihr Land immer noch «Great Britannia» ist, wo man keine Partner und Verbündete braucht. Alle Warnungen von Experten verhallen ungehört. Denn die Geschichte von Glanz und Gloria ist zu schön.

Es ist immer dieselbe Leier: Wer schöne Geschichten erzählt und das, was die Menschen hören wollen, schart Massen um sich. Und selbst wenn diese Geschichten frei von jeder Vernunft und Wissen sind, werden sie geglaubt. Diese Wahrheit und der darauf folgende Katzenjammer sind bekannt und uralt.

Ich habe das Meme sofort weitergeschickt und entsprechend positive Smileys als Belohnung bekommen. Natürlich nicht von meinen Jungs. Da hiess es wieder nur: «Kenn ich schon. Ist uralt.» Sie haben so recht, meine schlauen Jungs.

Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch