Arbeiten im Flüsterton
Ich liebe meinen Coworking-Space. Jeder, der zum ersten Mal reinkommt, ist überrascht wie schön er eingerichtet ist. Erkläre ich, dass es ein Frauen-Coworking-Space ist, verstehen sofort alle, warum er so eingerichtet ist, als ging es um «Schöner Wohnen» und gleichzeitig kommt die Frage: «Darf ich als Mann da überhaupt rein?» «Ja natürlich, aber nur gewaschen und flüsternd», ist dann meine charmante Antwort.
100’000 Coworking-Plätze sollen in den nächsten Jahren ausserhalb von urbanen Hotspots entstehen. So lautete das Postulat, dass sieben Nationalräte aus allen grossen Parteien vergangene Woche beim Bundesrat eingereicht haben. Der Bund soll diese Form des Arbeitens fördern. Eigentlich eine tolle Idee, denn aus eigener Erfahrung weiss ich, dass meine Entscheidung in einem Coworking-Space zu arbeiten, mein Startup enorm professionalisiert hat. Dank Digitalisierung reichen für etliche Startups ein gutes WLAN, ein Laptop, ein Handy und ein paar clevere Apps und das Remote-Startup kann loslegen.
Man arbeitet vernetzt zusammen, aber nicht gemeinsam von einem Ort aus. Seit COVID-19 wissen etliche die Vorteile des eigenen Homeoffices zu schätzen, aber auch das hat seine Grenzen. Entweder wird der Platz zu knapp oder die Einsamkeit zu gross. In diesem Fall kann man wieder ins normale Office wechseln, aber als Remote-Startup sitzt man dann in Cafés, die zu laut, zu ältlich, zu hässlich oder zu zugig sind. Und das Problem der physischen Meetings ist auch nicht gelöst. Daher sind Coworking-Spaces perfekt. Hinzu kommt noch, dass wir uns untereinander austauschen. Man fragt sich gegenseitig, bekommt Tipps, vernetzt sich, gibt Erfahrungen weiter. Will ich etwas über Trends erfahren, frage ich die Mode-Influencerin am Nebentisch, brauche ich Erklärungen für neue Tools frage ich die blasse Kollegin mit der Nerdbrille und den roten Augen.
Diese moderne Form der Arbeitswelt ist eine grossartige Entwicklung, bleibt in der Regel aber den urbanen Zentren vorbehalten. Daher verstehe ich die Nationalräte, die diese Idee auch in die Regionen und in ländliche Gebiete tragen wollen. Aber ob es dann gleich wieder eine staatliche Förderung braucht, bezweifle ich. Warum können nicht Firmen aktiv werden, die in den Regionen verankert sind. Wie viele Geschäfte stehen leer und könnten mit neuen Konzepten belebt werden? Lasst die Ideen, die Initiativen und den Unternehmergeist wirken und erspart dem Bundesrat die Aufgabe, auch noch hier eingreifen zu müssen. Wir haben schon genug Nanny-Staat.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Erschienen in der Handelszeitung Nr. 26, 25.6.2020
Projekt: «Trumper Media Ldt.»
Jetzt habe ich die absolute A****-Karte gezogen. @Potus meint, dass ich ihm als sein Chief National Intelligence Social Media Officer, hopp, hopp eine neue Twitterplattform bauen soll. Ich bin doch kein Programmierer! Soll er doch den Zuckerberg oder den Thiel fragen. Oder Putin und seine Trolle. Jetzt wo sich @Potus es mit allen verscherzt hat, ist er wieder am Amoklaufen. Ich hatte mich ja schon vor einem Jahr gefreut, dass Twitter androhte, ihn zu zensieren. Aber, dass ich jetzt derjenige bin, der die Suppe auslöffeln muss, damit hatte ich nicht gerechnet. Was passiert, wenn ihn Twitter ganz sperrt? Und das mitten im Wahlkampf? Könnte er diese defizitäre Plattform nicht einfach als Präsident beschlagnahmen? Ein Versuch wäre es doch wert. Kriegswichtige Erfindung! Oder zwingende militärische Kommunikationsplattform. Ich müsste mal so einen alten Haudegen fragen. Lebt Donald Rumsfeld noch?
So eine asoziale Social-Media-Plattform wäre aber noch eine clevere Erfindung. Alle Diktatoren könnten Lizenzen erwerben und ihre Bevölkerung zwingen, diese App zu installieren. Mit einer Bluetooth Schnittstelle könnten man herausfinden, wer es nicht installiert hat. Und dann unter Gulag-Androhung diejenige tracken, die sich weigern die Botschaften des geliebten Führers zu lesen. Das wäre doch ein Geschäftsmodell. Und natürlich ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Nur Likes und Weiterleiten ist möglich. Likes entstehen schon automatisch, wenn die Message aufpoppt. Zensur gibt’s keine. Er darf schreiben und behaupten, was er will. Und natürlich sind Bots als Follower unbeschränkt erlaubt. Als Name für die Plattform würde ihm sicher «Trumper» gefallen. Logo: Sein Profil oder das Twitter-Vögelchen mit blonder Tolle. Das ist natürlich für ihn reserviert. Das Logo würde immer angepasst werden an den jeweiligen Potentaten, der die Lizenz erwirbt. Wir könnten das unter Entwicklungshilfe in den jeweiligen Ländern vertreiben. Jetzt wo wir nicht mehr in der WHO sind, wäre das doch eine gute Tat.
Am besten wäre es gleich eine Firma zu gründen. Mit Sitz in Delaware und Briefkasten in Washington. Adresse: Weisses Haus. Der Domain-Check sagt, dass «Trumper.media» und «Supertrumper-Media.one» noch frei sind. Das ist doch genial. Ich glaube, ich rufe ihn an und schlage ihm das vor. Schriftliches Konzept bringt nichts. Er liest sowieso nichts. Unglaublich wie kreativ ich heute war…
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch. Kolumne wurde in der Handelszeitung Nr. 23 vom 4. Juni 2020 abgedruckt.
Nannystaat: Dein Name sei Corona
Letzte Woche war ich bei meiner Coiffeuse. Schon am Telefon hatte sie mir mitgeteilt, dass ich draussen vor der Türe warten müsse, bis sie mir aufmachen würde. Ferner gäbe es nichts zu trinken und nichts zu lesen. Ich müsste eine Maske mitbringen oder könne eine bei ihr erwerben. Meine selbstgenähte Maske ginge nicht. So weit so schlecht. Zum Coiffeur gehe ich zweimal im Jahr und es ist für mich etwas Besonderes. Es ist eine Form von Wellness. Es dauert auch entsprechend lang und hat seinen Preis.
Was dann aber folgte, war eine mittlere Tortur. Mit den Gummihandschuhen verhedderte sich meine arme Coiffeuse dauernd in meinen langen Haaren und riss an ihnen. Ich war kurz davor, die Übung abzubrechen. Nach drei Stunden war das Drama zu Ende und ich habe mir geschworen, dass ich nicht mehr zum Coiffeur gehe, so lange das Corona-Panik-Regime verordnet ist. Das BAG, das alle diese Vorgaben gemacht hat, damit Coiffeure wieder aufmachen dürfen, sind ausgerissene Haare wurscht. Aber meiner Coiffeuse war es peinlich und mich hat es geärgert.
So wird es vielen gehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass inzwischen Menschen auf die Strasse gehen, die daran erinnern, dass die Freiheit des mündigen Bürgers über den überdrehten und planlosen Massnahmen von Beamten steht. Sicher ist es wichtig, dass der Staat zu seinen Bürgern schaut und sie schützt. Aber jetzt kippt es in eine unerträgliche Bevormundung. Wie nun Wirte ihre Beizen eröffnen oder Coiffeure die Haare pflegen, sollte nicht bis in jedes Detail von BAG-Beamten vorgegeben werden.
Ob wir nun durch eine digitale Blockwart-App wie dieses Tracing- oder Tracking-System zu mehr Sicherheit kommen, ist ungewiss. Was nutzt es mir zu wissen, dass ich in der Nähe von einem Infizierten war, ausser dass es mich in Panik versetzt? Panik ist kein guter Ratgeber. Das nährt nur Phobien, befeuert Verschwörungstheorien und provoziert Trotzreaktionen. Besser wäre es auf die Mündigkeit der Bevölkerung zu setzen als den Nannystaat zu zementieren. Das Virus wird gefährlich bleiben, solange es keinen Impfstoff gibt. Also braucht es mehr Distanz untereinander, aber das soll jeder selber regeln. Dass zwei Meter genügen, weiss inzwischen jeder. Dass Massenveranstaltungen und Begrüssungsküsschen ungesund sind, wissen wir auch. Masken tragen ist okay. Aber es darf kein Thema sein, dass sechs oder sieben Jugendliche zusammenstehen und rumblödeln oder meine Coiffeuse mir ohne Gummihandschuhe die Haare pflegt.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Erschienen in der Handelszeitung Nr. 20 vom 14. Mai 2020
Kevin Home Alone
Ist ihr Chef auch so ein digitaler Kevin? Ja, ich weiss, es ist gemein, diesen Namen so zu missbrauchen und ich kenne auch einen Kevin, der ist Astrophysiker. Aber so ist es eben. Jede Zeit hat Stellvertreternamen für ihre Dödel.
Also: Kevin rennt jeden Tag trotz verordnetem Homeoffice in die Firma und sitzt dort herum. Er weigert sich beharrlich, mit Remote-Tools zu arbeiten. Video-Konferenzen sind ihm ein Gräuel, weil er nicht weiss, wie es geht und er zu eitel ist, zu fragen. Sich mit seinem Laptop mit anderen über Plattformen wie Slack oder Trello auszutauschen, wäre sein Albtraum. Denn er kann es nicht und will es auch nicht lernen. Lieber gibt sich Kevin keine Blösse, sondern kultiviert die Mär vom unermüdlichen Einsatz des Chefs für die Firma. Denn einer muss ja noch vor Ort sein und die Stellung halten. Und das am besten mit Dauerpräsenz. So weit, so gut, denn wäre er allein in der Beletage, wäre das ja auch eine Form von Quarantäne.
Aber so funktioniert die Corporate-Ebene nicht. Der Chef braucht seinen Stab vor Ort. Und das wissen alle, die das Prinzip der «Karriere Sau» von Adel Abdel-Latif verinnerlicht haben. Also sind auch alle Ehrgeizlinge um den Chef herum. Homeoffice ist was für Weicheier. Diejenigen, die nach oben wollen, stehen stramm beim Chef.
Wunderbar, endlich ist die harte Truppe um den Digial-Dino versammelt und sie könnten in Ruhe arbeiten. Nur fehlen leider die Untergebenen, die man sonst den ganzen lieben Tag lang mit Geschwätz und Nullrelevanz-Aufgaben beschäftigen kann. Die sind nämlich brav im Homeoffice, üben das horizontal vernetzte Arbeiten mit digitalen Tools und bemerken schnell, welche Abläufe innerhalb von alten Organisationsstrukturen durch die Digitalisierung verbessert werden können. Sie vermissen keine Sekunde die vertikalen Strukturen, die Hierarchie, die Lehmschichten, die alles mühsam und undurchlässig machen. So ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit beim Thema Homeoffice recht positiv ausfallen. Vorausgesetzt, man hat nicht Klein- oder Schulkinder zusätzlich zu betreuen.
Also was machen unsere Kevin-Dino-Getreuen nun so alleine? Sie schreiben Konzepte. Konzepte für die Zeit nach Corona. Konzepte, wo die Corporate-Etage noch Systemrelevanz hätte, aber in Tat und Wahrheit geht es auch ohne sie.
Erschienen in der Handelszeitung, Nr. 17, 23.4.2020
Crowdfunding: Masken für alle
Carole und ich haben ein Crowdfunding aufgesetzt bei Crowdify. Wir wollen Schutzmasken für alle finanzieren, um so gegen Wucher und Mangel vorzugehen. Wenn Du hochwertige Schutzmasken vom Typ KN95 auch bekannt unter FPP2 suchst, mach bei unserem Crowdfunding mit. Hier geht es zum Link: https://www.crowdify.net/de/projekt/masken-fuer-alle
Danke für Deine Mithilfe und danke dass Du Dich und andere schützt mit dem Tragen von Schutzmasken. Das ist echt klug von Dir.
Bleib gesund
Deine Carole und Riccarda
http://maskenfueralle.ch.marissa.ch-meta.net
Davos off the record
Ort: Davos, oberhalb der Schatzalp. Eine Parkbank mit Blick auf das Städtchen. Zwei Personen treffen sich dort. Sie, graubraune Strickmütze, selbst gestrickter Schal, Patagonia-Parka. Er mit Canada-Goose-Wintermantel samt Kojotenfell.
Er: «Danke, dass du gekommen bist. Dachte schon, dass es nicht klappt, weil du mich verachtest.» Sie: «Weil du für den Typen arbeitest?» «Ja.» «Also Mitleid kannst Du von mir nicht erwarten. Die CO2-Bilanz von deinem Chef ist ja auch grauenvoll. Gleich mit vier Flugzeugen anzureisen.» «Naja, das ist das Protokoll. Das geht nicht anders. Aber bist du wirklich die Social-Media-Verantwortliche von Greta?» «Ja. Also sie schreibt das meiste selber, ich versuche nur, das Schlimmste zu verhindern oder zu löschen.» «Echt, das kommt mir bekannt vor. Das mache ich für Potus auch. Totaler Frustjob. Keiner nimmt einen ernst.» «Und Du kannst so einfach mit mir darüber reden?» «Ich bin ja kein Geheimnisträger, sondern Teil der Putztruppe. Du hast es leichter. Der Welpenschutz, den Greta hat, entschärft alles was, sie sagt. Aber ich mit meinem Narzissten mit Pinocchio-Nase.» «Dann wechsle doch den Job.» «Chancenlos. Mit diesem Track-Record nimmt mich keiner.» «Doch Kim Jong-Un.» «Scheitert an meinem Koreanisch. Aber im Ernst. Da hast du es besser.» «Nicht unbedingt. Was glaubst du, wie mühsam es ist, mit so einer spassbefreiten Truppe tagelang in Zügen, Bussen und zu Fuss unterwegs zu sein. Und ständig die Leute über die Medien zu erziehen und die Moralkeule zu schwingen. Ich warne die ganze Zeit, dass wir über das Ziel hinausschiessen mit diesen missionarischen Reden, Drohungen, Ultimaten mit ’how dare you’ oder ’I want you to feel panic’. Aber auf mich hört auch keiner. Irgendeiner hat mal gesagt: Wenn die Kritik an Zuständen mehr nervt als die Zustände selber, dann muss man aufpassen. Und davon sind wir nicht mehr weit entfernt.» «Ich wünschte mir, wir könnten die beiden samt den Journalisten Social-Media-mässig unpluggen. Was glaubst du wie entspannt und kontrolliert die Kommunikationsarbeit wieder wäre. Es gäbe vielleicht noch ein paar chaotische Pressekonferenzen, also zumindest auf Potus‘ Seiten, aber dann liefe alles durch kontrollierte Kanäle.» «Träum weiter. Ich muss zurück und noch etwas Empörungsbewirtschaftung betreiben.» «Darf ich dich auf einen Drink einladen?» «Nur wenn du diese Winterjacke gegen was Selbstgestricktes austauscht.»
Erschienen Handelszeitung N. 5, 30. Januar 2020
Diät-Coach? Nein danke!
Na? Heute schon wieder mindestens ein Dutzend LinkedIn-Einladungen von irgendwelchen netten Businessmenschen erhalten? Und? Alle bestätigt? Unbesehen? Und prompt kam von einigen frisch gewonnenen Business-Kontakten ein flottes Dankes- und Begrüssungsmail: «Hallo, hier ist ihr neuer Fitness-Coach», oder so ähnlich. Dabei dachte man, als man in der Einladung las: «Sie haben 243 gemeinsamen Kontakte», das kann doch nur jemand extrem sympathisches sein, den man irgendwie aus den Augen verloren hat. Weit gefehlt. Fast genauso schlimm sind die Zeitgenossen, die LinkedIn oder Xing mit Facebook verwechseln und einem mit Urlaubs- oder Partyfotos beeindrucken wollen. Die Käfersammlung von Borneo oder die Massenselfies von der Firmenweihnachtsfeier können mir genauso gestohlen bleiben, wie die Werbe- und schleimigen Begrüssungsmails.
Schleimige Begrüssungsmails
Aber ich prophezeie Ihnen: 2020 wird es schlimmer. Da Facebook in unseren Breitengraden massiv in allen Altersgruppen an Relevanz verliert und Instagram samt seinen Influencern auch nicht bei uns Älteren punkten kann, sind LinkedIn und Xing bei den Social Media Agenturen angesagt. Beide Plattformen haben in den letzten Monaten massiv aufgerüstet mit Redaktionen, Experten, Diskussions- und Lernforen sowie Fachartikelsammlungen, sodass man sich stundenlang durch den Content wischen kann. Ziel: Wir sollen schön auf der Plattform bleiben und Werbung konsumieren sowie Zeit und Daten schenken.
Dabei ist das wirklich Nützliche, das Posten von eigenen Anliegen, Ideen, Botschaften oder kleinen Erfolgserlebnissen – aber eben Business-bezogen und nicht freizeitorientierte Spassbotschaften. Diese zusätzliche Reichweite durch das digitale Networking nutze auch ich und freue mich über die Likes und Reaktionen, wenn ich meine Kolumnen veröffentliche. Ebenso lese ich mich durch die Informationen aus meinem Netzwerk und verteile entsprechend Kommentare oder Emojis. Aber das wird sich jetzt ändern, denn diverse Social Media Agenturen fokussieren sich komplett auf diese beiden Business-Plattformen und werden uns gnadenlos mit «Sponsored-Mails» über Business-, Diät- und anderem Firlefanz-Themen bespielen. Der vertraute und authentische Reigen ist dann schnell zu Ende. Schützen kann man sich nur durch kritisches Hinschauen bei den Einladungen und schnelles Auflösen von Kontakten. Ich habe mich jedenfalls schon mal mit dieser Funktion vertraut gemacht.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Erschienen in der Handelzeitung, Nr.51/52, 19. Dezember 2019
Sokrates: Wissen heisst handeln
Letzte Woche bin ich mal wieder in einen Social Media Shitstorm geraten. Irgendjemanden bin ich mit irgendetwas total auf den Schlips gestanden. Es ging um einen Begriff, der ihm nicht passte. Und das Pseudonym, hinter dem er sich verbarg, flippte aus. In meinem anfänglichen Versuch ihn zu beschwichtigen, goss ich nur Öl in sein Wutfeuer. Anscheinend hatte das Pseudonym noch eine ganze Community von Gleichgesinnten oder Zweit-, Dritt- und Viert-Accounts. Jedenfalls war es ein rechtes Geballer mit immer wilderen Verdrehungen und Behauptungen. Eine Moderation war nicht mehr möglich und Diskussion sowieso nicht.
Miteinander denken statt gegeneinander denken
In solchen Fällen verabschiedet man sich am besten. Löscht später alles und denkt bekümmert an eine Diskussionsethik, die 2300 Jahre alt ist. Sie heisst Sokratische Methode und hat sich bis heute weiterentwickelt. Neben der Fragetechnik, die der Kern der Methode ist, geht es um Einstellungen wie zum Beispiel: Miteinander zu denken, statt gegeneinander zu denken und wahrheitsorientiert denken, statt Meinungen auszutauschen. Ergänzt man diese Überlegungen noch mit Diskussionstugenden wie Argumentationsdisziplin, Fähigkeit zur Selbstkritik, kritischer Toleranz, Freundlichkeit und Geduld entsteht eine lebendige und zugleich höfliche Atmosphäre.
Diese Form des Miteinanders scheint aber komplett verloren zu gehen, sobald man sich anonym begegnet, wie in den sozialen Medien. Wobei man gerechterweise sagen muss, dass wir alle auch in realen Begegnungen schon diverse Ausfälligkeiten bei Diskussionen erlebt haben. Trotzdem ist die Enthemmung auf den sozialen Plattformen signifikant destruktiver.
Bleiben wir aber bei der Sokratischen Methode, denn sie begegnete mir diese Woche gleich noch einmal. Bei einer Weiterbildung zum Thema «Integrität und Zivilcourage im VR» stellte ein Teilnehmer unter anderem die Sokratische Methode als Tool für die Kultur im Verwaltungsrat vor. Werte und integres Handeln, so seine Konklusion, gehen Hand in Hand je mehr Zivilcourage und Unabhängigkeit in einem Board vorhanden sind. Das braucht eine offene Diskussionskultur, aber auch den Austausch von Wissen ohne Powerplay. Denn so funktioniert miteinander denken statt gegeneinander denken. Genauso wie es sich Sokrates vor 2300 Jahren gewünscht hat. Im Stillen beglückwünschte ich den Kollegen zu dieser Board-Kultur.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Mit E-Voting gegen Wahl-Lethargie
«Es grünt so grün, wenn Helvetias Blüten blühn», könnte man kalauern, wenn man das Resultat der Wahlen vom vergangenen Sonntag betrachtet. Noch nie war das Parlament so jung, so weiblich und so grün. Eigentlich eine ganz spannende Entwicklung und eine Verschiebung der Sitze, wie sie die Schweiz kaum je gesehen hat. Trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack: Es ist die Wahlbeteiligung. Wieder sind weniger Menschen an die Urne gegangen, obwohl die Politologen wegen der Klima-Demos und des Frauenstreiks eine grosse Mobilisierung erwarteten. Von mehr als 50 Prozent Wahlbeteiligung wurde gesprochen. Das Gegenteil war der Fall. Sie sank um 3,4% auf 45,1%.
«Wenn der Wähler nicht zur Urne geht – kommt die Urne zum Wähler»
Über die Gründe werden wir in den nächsten Monaten sicher noch Näheres erfahren. Aber so geht es nicht weiter. Die Schweiz lebt von der direkten Demokratie. Sie braucht das Engagement von allen Wählerinnen und Wählern und nicht nur von weniger als der Hälfte aller Wahlberechtigten. Wenn die nicht einmal durch die Briefwahl zu mobilisieren sind, braucht es neue Möglichkeiten. Stichwort: E-Voting. Wenn die Wähler nicht zur Urne gehen, dann kommt die Urne eben zu den Wählern. Es ist an der Zeit, neben der persönlichen Stimmabgabe und der Briefwahl einen dritten Kanal anzubieten, um abstimmen zu können, denn das Nutzer-Verhalten der Menschen ändert sich. Natürlich kann man leidenschaftlich argumentieren wie bequem, gleichgültig und unverantwortlich viele Wahlberechtigte sind, wenn sie nicht wählen gehen. Aber vielleicht müssen sich auch die demokratischen Rituale der Zeit anpassen. Das Ritual, mit dem Säbel an die Landsgemeinde zur Abstimmung zu gehen, gehört ja auch der Vergangenheit an.
Leider wurde das Projekt E-Voting in diesem Frühling vom Bundesrat auf Eis gelegt, weil die Sicherheitslücken bei den Tests zu gravierend waren. Die Beteiligten schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Das war’s dann auch. Zwar fordert der Bundesrat mit eindringlichen Worten von Unternehmern und der Bevölkerung, dass sie sich mit Enthusiasmus in die digitale Transformation stürzen sollten, wenn es aber um die Bundesverwaltung geht, ist es schnell vorbei mit dem Enthusiasmus.
Aber es gibt Hoffnung: nämlich, dass im verjüngten Nationalrat nicht nur über Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt debattiert wird, sondern dass auch E-Government und E-Voting zuoberst auf der politischen Agenda stehen. Damit denen die Ausreden ausgehen, die immer auf «die da oben» schimpfen, aber nie einen Finger rühren, wenn es ans Wählen geht.
Riccarda Mecklenburg, Founder CrowdConsul.ch
Karriere in Greta-Zeiten
Falls Sie vorhaben, Karriere zu machen und zwar so, dass Sie zu einer Person des öffentlichen Interesses werden, gibt es neuerdings ein paar Prinzipien einzuhalten. Insbesondere wenn Sie das Spektrum liberal, christlich, grün-liberal, grün oder rot anpeilen, sollten Sie unbedingt ein paar Leitlinien beherzigen. Dabei ist es egal ob Sie nationale Politik oder einen hohen Posten in der Wirtschaft im Visier haben.
1. Das Kompendium «Genderkorrekte Sprache» muss Ihnen absolut vertraut sein. Es heisst also nicht Rednerpult, sondern «Redepult». Und bisher übliche Begriffe wie Fachmann, Chef, Experte, Abteilungsleiter, Kunde sind heute alle toxisch. Sie wissen schon was ich meine.
2. Sie sollten sich bedingungslos zum «#Nanny-Staat» bekennen. Der überfürsorgliche Staat ist absolut im Trend. Als politisch aktives Mitglied des Staates fordern Sie umfassende Regulierungen, Gesetzesänderungen, Verbote, Subventionen und Vorschriften, die das normale Leben der Bürger und Bürgerinnen bis ins Detail regeln: Essen, Trinken, Genussmittel, Freizeitgestaltung, Mobilität, Handy-Strahlung. Überall lauern Gefahren, vor denen die Menschen vom Staat geschützt werden müssen. Umgekehrt, fordern Sie als
Bekennen Sie sich zum Nanny-Staat
Unternehmer und Unternehmerin oder CEO sofort von der Politik zusätzliche Gesetze, Verordnungen und natürlich Subventionen, um den Nanny-Staat zu stärken. Damit geben Sie sich ein zeitgemässes Image und demonstrieren wie wichtig Ihnen das Wohlergehen aller Menschen ist.
3. Dann müssen Sie ihre gesamte mediale Vergangenheit nach kompromittierenden Fotos oder Posts durchforsten und zwar bis zum Kindergarten. Falls es irgendwelche Fasnacht- oder Partyfotos gibt, wo Sie etwa mit einem dunkel angemalten Gesicht abgelichtet wurden, sich als Arabischer Prinz verkleidet haben, und sei es nur, dass Sie bei einer Leihenaufführung den Othello mimten, löschen Sie sofort diese Bilder. Falls das nicht geht, schreiben Sie umgehend einen 3000 Zeichen langen Kommentar dazu. Darin entschuldigen Sie sich! Bedauern den jugendlichen Leichtsinn, erklären Ihre Unbedarftheit, streuen sich Asche aufs Haupt, schwören, dass Sie sich gebessert haben und sich inzwischen für den Schutz aller Minderheiten einsetzen.
4. Falls Sie Karriere machen wollen im Parteienspektrum rechtsbürgerlich bis ganz rechts, als konservativer Firmenpatriarch oder die Nachfolge von Donald Trump antreten wollen, können Sie die Tipps 1 bis 3 streichen. Sie haben Carte Blanche.